Der Tod gehört zum Leben. Und dennoch fällt es Erwachsenen oft schwer, mit Kindern über dieses Thema zu reden. Geschichten können unterstützen, mit Kindern über Trauer und Abschiede ins Gespräch zu kommen.
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Kontakt mit dem Tod. Meine Urgroßoma, die ich nur liegend kenne, in einem riesigen Bett mit überdimensionalen, weißen Kissen, wie Wolken, ja, diese Uroma ist gestorben, als ich fünf war. Ich bekam natürlich mit, dass meine gesamte Verwandtschaft zur Beerdigung ging, meine Eltern natürlich auch. Nur ich, ich durfte nicht mit. Ich habe es nicht verstanden.
Als dann innerhalb eines Jahres, da war ich zehn, gleich zwei Opas starben (der Urgroßvater und ein Opa), da hatte ich so viele Fragen: Warum stirbt man, wenn es einem kurz davor noch so gut gegangen ist? Wie kann man umfallen und tot sein? Warum wird nach der Beerdigung Kuchen gegessen? Wieso können alle lachen, wenn ich weinen muss? Warum durfte ich Urgroßvater im Krankenhaus nicht besuchen? Und warum ist eine meiner Omas schon gestorben, bevor ich auf der Welt war? Warum sterben Menschen so früh? Warum gibt es auf dem Friedhof so winzig kleine Gräber mit Kindern?
All diese Fragen und viele andere Erlebnisse hatte ich beim Schreiben der Geschichten für das Buch „Die Welt steht still“ plötzlich wieder vor Augen. Das Buch ist soeben im Herder-Verlag erschienen. In dem Buch geht es ums Sterben und ums (Weiter-)Leben, es geht um Trauer und Verluste. Das Schreiben hat mich herausgefordert. Im ersten Teil des Buches gibt es fünf Geschichten zu Abschieden: Da gibt es eine Oma, die so viele Bananen isst, weil sie Demenz hat, da ist ein Junge, der sich fühlt, als hätte er einen Reißverschluss am Bauch, denn seine Eltern trennen sich. Und da sind zwei Kinder, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Es geht um das Verlieren und Wiederfinden.
Der zweite Teil des Buches beinhaltet wiederum fünf Geschichten, rund um den Tod. Der Verlagswunsch war es, dass auch eine Geschichte gibt, in der ein Kind stirbt oder gestorben ist. Das ist mit das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Für die Anregungen zur Trauerarbeit, die sich auch im Buch befinden, habe ich viel recherchiert – und bin nachts wachgeworden, weil mir vieles so nahe ging. Und dann waren sie da, die Geschichten, die uns Buch gewandert sind. Für mich persönlich ist dieser vierte Band meiner Geschichtenbuch-Reihe der wichtigste.
Worüber ich mich besonders freue: In diesem Buch gibt es erstmals auch ein Mini-Theaterstück von mir. Die wunderbaren Illustrationen kommen auch dieses Mal wieder von Susanne Bochem.
Andrea Behnke
Die Welt steht still
Kindergeschichten von Abschied, Tod und Trauer
Herder, Freiburg 2014